Die Stadtkantorenfamilie Schneider - Johann Georg Schneider und Sohn Paul Friedrich Schneider

Aufsatz von Dr. Ferdinand Gutermann zum 100-jährigen Jubiläum des Liederkranzes Schweinfurt

Die Angehörigen der Familie Schneider sind viele Generationenihrem Beruf treu geblieben; wie bei den berühmten Musikerfamilien Bach, Weber und anderen hat sich musikalische Begabung vom Vater auf die Kinder immer wieder vererbt, zusammen mit anderen guten Eigenschaften, mit der Liebe und Begeisterung für alles Hohe und Schöne und mit starker Begabung für Lehren und Organisieren, die sich besonders in den beiden wichtigsten Vertretern, Johann Georg Schneider, geb. am 11. Juni 1782, gestorben am 13. April 1849 und seinem Sohn Paul Friedrich Schneider, geb. am 18. Juli 1821, gestorben am 6. Januar 1866, segensreich auswirken konnte.

 

Der Urgroßvater Johann Georg Schneiders, Balthasar Schneider, war Büttnermeister in Maßbach gewesen. Schon sein Sohn, der Großvater Johann Georgs, Johann Sebastian Schneider, war Musikus und Kirchtürmer, er heiratete die Witwe Anna Katharina des verstorbenen Musikanten und Kirchtürmers zu Schweinfurt, Johann Georg Weber, kam also gewissermaßen durch Einheirat zum Posten des Kirchtürmers der Johanniskirche. Dass all diese Kirchtürmer in Kirchenbüchern mit „Herr“ tituliert werden, im Gegensatz zu den Handwerksmeistern, zeigt das Ansehen ihrer gehobenen Stellung an.

 

Der Sohn des Sebastian, Johann Martin Schneider, Stadtmusikus, war

verheiratet mit Barbara Dorothea, Tochter des Bäckermeisters Strenzel, er

wohnte erst im seinem Hause Nr.107 (später Brauerei Wagner) gegenüber

dem Zeughaus, zog aber 1784, zwei Jahre nach der Geburt des kleinen

Johann Georg als „erster Stadtmusikus“ auf den Turm derJohanniskirche.

 

Auch der Pate des Johann Georg, ein Verwandter der Mutter, Johann

Georg Strenzel, war „Musikus“. 1804 erhielt der Vater das Kantorat an

der Johanniskirche, starb aber schon 1807.

 

Sein Sohn Johann Georg bezeichnete sich in einer kleinen

Lebensbeschreibung, „zwar nicht hochgeboren, da er im Parterre

(Erdgeschoss) geboren sei, aber hocherzogen“, nämlich auf

 

dem Kirchturm. „Die gesunde Luft auf dem Turm und die bedeutende

Bewegung des Turmsteigens hatte einen heilsamen Einfluss auf meine

Gesundheit, denn vorher war ich schwach und kränklich, jetzt aber werde

ich kerngesund und kräftig“, berichtet er. Im Alter von 13 Jahren kam

Johann Georg Schneider ins Alumneum (früheres Wort für Alumnat =

 

Schulheim), wo er sich als Sopranist betätigte, er blieb 6 Jahre dort, bis er

1801 austrat und sich der Musik widmete. Im Jahre 1805 sollte er sich bei

guter Bezahlung als erster Klarinettist in das 5. französische

Infanterieregiment eintreten (die Franzosen lagen damals wieder einmal

in Franken), aber sein Vater hielt ihn zurück, zu seinem Heil, da er

 

sonst wahrscheinlich auf Russlands Schneefeldern ein frühes Ende

gefunden hätte.

 

In diese Zeit fällt die Neuorganisation der Schulen durch die bayerische

Regierung. Zwei neue Klassen wurden gebildet und eine derselben dem

jungen Schneider übertragen, der zugleich das Kantorat provisorisch,

1807, übernahm, ein Zeichen, dass der 25-jährige bereits großes

 

Vertrauen genoss.  Um den bayerischen Lehrplan kennen zu lernen,

musste er im November1807 das Schullehrerseminar in München

besuchen, wo es ihm sehr gut gefiel. Besondere Förderung fand Schneider

in Bamberg durch den damaligen Seminardirektor Paulus, später

 

Professor und Kirchenrat in Heidelberg, dessen Sohn er unterrichtete und

der ihn sehr bald in seine Familie zog. Während Schneiders Abwesenheit

vertrat ihn im Kantorat sein Bruder Philipp Schneider. In Bamberg erhielt

Johann Georg Schneider nach der Semesterprüfung 1808 sogar einen

 

Preis von 20 Gulden für seine besonderen Leistungen und am 15. Juni

1808 wurde ihm das Kantorat der Johanniskirche in Schweinfurt samt der

Leitung einer Klasse an der neu errichteten Elementarschule definitiv

übertragen. Noch im Oktober des gleichen Jahres heiratete er Christine,

die Tochter des Bäckermeisters Baumann von Schweinfurt, die ihm in

 

neunjähriger Ehe zwei Töchter schenkte, von denen er sieben Enkel

erlebte. Im Jahre 1812 erhielt er die oberste 6. Mädchenklasse

übertragen, der er bis an sein Ende vorstand. 1817 verlor er seine Gattin,

heiratete 1820 zum zweiten Mal Katharina, Tochter des Webermeisters

Baumbach, von der zwei Kinder dieser Ehe, Sohn und Tochter, überlebte

ihn nur sein Sohn Paul Friedrich Schneider, als würdiger Nachfolger.

 

Höhepunkte seines Lebens waren seine silberne Hochzeit 1845 und sein

40-jähriges Amtsjubiläum 1848. Sein Todestag, der 13. April 1849, war

gerade der Prüfungstag seiner Schulklasse, deren Bestehen bei der

Prüfung ihn bis zuletzt beschäftigte. Seine besondere Bedeutung aber liegt

in dem gediegenen musikalischen Unterricht, den er seinen zahlreichen

 

Schülern gab und in der Gründung (1833) und Führung des

Liederkranzes, die ohne seine vorbereitende Tätigkeit und ohne sein

Wirken nicht möglich gewesen wäre. Kantor Schneider war 1833 schon 51

Jahre alt, ihm verdankten die meisten älteren und fast alle jüngeren

Sänger des neu gegründeten Vereins ihre gediegene Ausbildung, er hatte

mit den jungen Freunden des erst 23 Jahre alten Jens Sattler die

Anregung von dessen Mutter Katharina Sattler, einen Singverein zu

gründen, verwirklicht und leitete ihn in der ersten Zeit nicht nur als

allgemeiner Gesellschafts-, sondern auch als Gesangsdirektor. Jens

Sattler hat ihn in einem dicken, wundervoll ausgestatteten

handschriftlichen Buch, das als „Schneider-Buch“ noch heute im Besitz

der Enkel aufbewahrt wird (heute = 1933), ein auch kultur- und

 

lokalhistorisch sehr wertvolles Denkmal zu seinem 40-jährigen

Amtsjubiläum im Jahr 1848 gewidmet, das dem „Liederkranzbuch“ Jens

Sattlers nichts nachgibt. Aus diesen beiden Werken wie aus den

wohlerhaltenen Akten des Liederkranzes ließe sich ein bis ins Einzelne

 

Gebendes Bild seines Wirkens schaffen, aber es wäre die Geschichte des

Liederkranzes selbst in den ersten 15 Jahren und würde an dieser Stelle zu

umfangreich werden. Jedenfalls war Schneider der Lehrer und Dirigent in

den Proben und Konzerten und väterlicher Freund der Sänger, ihr Führer

bei den Sängerfahrten nach Windsheim, Wertheim und Würzburg, bei

 

dem berühmten Maskenzug mit einem Elefanten 1840 und beim ersten

Gesangsfest in Schweinfurt 1843. .......................

 

 

 

Groß war der Schmerz, als Kantor Schneider am 13. April 1849 verstarb.

Eine gedruckte Gedächtnisrede des Pfarrers Beck am Grabe fasst

nochmals alles zusammen, was seine Freunde, was die Stadt in ihm

verloren hatten, der vorbildlich in seinem Lehr- und Kantoratsamt gewirkt

hatte, der sich durch Unterricht und Erziehung um die Jugend die

 

größten Verdienste erworben, im kirchlichen, wie im bürgerlichen Leben

untadelig als Christ und Mensch gewirkt und gelebt hatte und auch vor

allem als deutscher Patriot leidenschaftlichen Anteil am Aufschwung

seines geliebten deutschen Volkes genommen hatte. (Anmerkung: der

Artikel wurde nach der Machtergreifung Adolf Hitlers im Oktober

 

1933 veröffentlicht).

 

 

Sein Sohn Paul Friedrich Schneider, bei des Vaters Tod 28 Jahre alt,

schon vorher seine Stütze und Gesangsdirektor des Liederkranzes, wurde

nun auch sein würdiger Nachfolger im Amt. Er war mit einem Patenkind

von Katharina Sattler verheiratet, einer geborenen Blecken (Maria

Katharina Blecken), die die Lieder ihres Mannes mit ihrer guten Sopran-

 

stimme sehr schön zu singen pflegte. Dieser sein einziger Sohn war

musikalisch besonders gut ausgebildet und begabt und betätigte sich

besonders auch als fruchtbarer und erfolgreicher Komponist. Leider

erreichte er nicht wie sein Vater ein höheres Alter, sondern wurde schon

nach 44 Jahren seiner zahlreichen Familie (er hatte 10 Kinder) viel zu

früh entrissen.

Paul Friedrich Schneider - Gemälde von Christian Adam Stößel (1810 - 1863), Schweinfurt, 1849
Paul Friedrich Schneider - Gemälde von Christian Adam Stößel (1810 - 1863), Schweinfurt, 1849
Ehefrau Maria Katharina Schneider, geb. Blecken, Patenkind von Katharina Sattler, gemalt von Christian Adam Stößel (1810 - 1863), Schweinfurt, 1849
Ehefrau Maria Katharina Schneider, geb. Blecken, Patenkind von Katharina Sattler, gemalt von Christian Adam Stößel (1810 - 1863), Schweinfurt, 1849

Ein Nekrolog vom 8. Januar 1866 im Schweinfurter Tagblatt sei hier

 

wiedergegeben, da er die wesentlichen Verdienste Paul Friedrichs

zusammenfasst:

 

„Am Samstag, den 6. Januar Nachmittags 3 Uhr verschied nach kurzem

Krankenlager Herr Paul Friedrich Schneider, Stadtkantor und

Musikdirektor dahier. Derselbe war der Sohn des verlebten Kantor Joh.

Georg Schneider, dessen Stelle er zur vollen Zufriedenheit sowohl seiner

Vorgesetzten als der ganzen Gemeinde mit Lust und Liebe bis zu seinem

Ende vorstand. Tüchtig musikalisch gebildet, namentlich im Violinspiel

durch den Altmeister Spohr in Kassel geschult, bekleidete er in seinen

20ern Jahren die Dirigentenstelle bei der Theaterkapelle in Mainz und

Wiesbaden, mit welcher er Kunstreisen nach Paris und London

 

Machte und daselbst in mehreren Konzerten exzellierte. Zurückgekehrt in

seine Vaterstadt Schweinfurt, widmete er sich mit Eifer und Liebe seinem

Berufe als Musiklehrer und hatte bald die Genugtuung in die ersten

Familien Zutritt zu erhalten und seine vielen Mühen belohnt zu sehen.

Wohl kaum ein musikalischer Verein oder ein Kränzchen, kein Privat- und

 

kein öffentliches Konzert gab es, wo er nicht tätig mitwirkte. Der

Liederkranz ernannte ihn zu seinem Gesangsdirektor, welche Stelle er 19

Jahre lang und bis zu seinem Tode innehatte. Auch beim Musikkränzchen

war er Dirigent der musikalischen Produktionen, ferner war er

 

Ausschussmitglied des fränkischen Sängerbundes; außerdem

Gesangslehrer am Gymnasium, an der Höfer’schen Töchterschule, sowie

1. Musikmeister des hiesigen Landwehr-Bataillons.

 

Noch in den letzten Tagen vor seiner Erkrankung gründete er einen neuen

Verein für gemischten Chor, den Cäcilien-Verein. Nebstdem war er bei

vielen von auswärtigen Kapazitäten dahier gegebenen Konzerten tätig und

veranstaltete selbst auswärts, wie in Kissingen, Bayreuth etc. Konzerte mit

immer gleicher Anerkennung.

 

Aber auch als Komponist hat er sich einen Ruf erworben, der bis über das

Meer gedrungen ist und ihm die schmeichelhaftesten Lobeserhebungen

eintrug. Abgesehen von den vielen kleineren und größeren Kompositionen,

die er zum Teil den zahlreichen Gesangsvereinen widmete, deren

Ehrenmitglied er war, war es das zur Feier des 25-jährigen Stiftungsfestes

 

des Liederkranzes komponierte „deutsche Lied“, welches an diesem Feste

(wobei auch König Otto zugegen) zum ersten Mal gesungen und mit

Begeisterung aufgenommen, seitdem die Runde durch ganz Deutschland

machte und selbst im Amerika in mehreren Konzerten zur Aufführung kam.

Wegen dieses Liedes wurde Schneider an mehrere größere Städte berufen,

 

um dort bei seiner Aufführung selbst zu dirigieren und von überall kehrte

er im Triumph und mit Beifall überschüttet zurück“

 

Aber auch die Musikliteratur hat P.F.Schneider gewürdigt, so wird er im

kleinen musikalischen  Konversationslexikon von Julius Schubarth

bezeichnet als „Tüchtiger Komponist, hat sich besonders auf dem Felde

des Männergesangs einen guten Namen gemacht“. Verschiedene seiner

Kompositionen werden auch heute (1933) noch aufgeführt, vor allem das

deutsche Lied gehört noch zum eisernen Bestand einer Reihe großer

 

Gesangsvereine , der Liederkranz bringt einzelne seiner Werke immer

wieder zu Gehör, in der Johanniskirche ertönte zum Erntedankfest 1933

wieder eine seiner Kompositionen, vorgetragen durch den Kirchenchor:

„O Gott, von dem wir alles haben, wir preisen und erheben Dich“ und an Silvester wird jedes Jahr ein Responsorium (liturgischer Wechselgesang für Vorsänger und Chor oder Chor und Gemeinde), das er komponiert hat, nicht nur in Schweinfurt, sondern auch in vielen anderen Kirchen, selbst in Hamburg, heute noch gesungen(1933).

 

Von den drei Söhnen P.F.Schneiders hat keiner männliche Leibeserben hinterlassen, sie sind aber alle, wie die Töchter, von denen noch zwei in Schweinfurt leben (1933), musikalisch interessiert und zum Teil sehr musikalisch gewesen, verschiedene der Kinder waren im Lehrberuf tätig und in den Enkeln zeigt sich von neuem überall die musikalische Erbanlage...