Goldquelle und Theuerbrünnlein

Ein Schweinfurter hatte es früher leicht, wenn er wissen wollte, ob gute oder schlechte Zeiten bevorstehen. Dann ging er an die Goldquelle oder zum Theuerbrünnlein und sah nach. Wohl gab es auch die sogenannten Hungersteine im Main, als dieser noch nicht kanalisiert war. Wenn sie in heißen und trockenen Sommern aus dem Flußbett ragten, war aber auch längst das Land von der Hitze ausgedörrt und jeder wusste, dass ein Missernte zu erwarten war. Die Goldquelle und das Theuerbrünnlein kündeten jedoch viel früher und besser die kommenden Zeiten an.

An dem sanft ansteigenden Gelände zur "Herdgasse", wo einst Wein angebaut wurde, entsprang einst ein bescheidenes Wässerlein, das sich träge in den Main schlängelte. Das war die Goldquelle. In den meisten Jahren konnte man ihr Fließen gar nicht erkennen und das Wasser versickerte schon vorher. Nur an dem feuchten Boden bemerkte man das Rinnsal. Es war eine Golling oder Goll, eine nasse Stelle im Acker, welche die Bauern auf dem Lande heute noch als "Nassgolling" bezeichnen.

Die Schweinfurter nannten sie jedoch "Goldquelle". Denn so alle acht bis zehn Jahre wurde aus dem dünnen Rinnsal ein richtiges Wässerlein. Dann freuten sich die Leute und sagten: "Der Goldquell fließt, da kommen gute Zeiten; es gibt Getreide und Wein im Überfluss und Ruhe und Frieden im Land." Und wirklich wuchsen in solchen Jahren Korn und Wein und die Ernte lohnte die schwere Feldarbeit.

Wer es aber ganz genau wissen wollte, der ging noch zum Theuerbrünnlein, das bis vor einigen Jahren in einem Acker gleich links neben der Maibacher Straße einen köstlichen Trunk frischen Wassers bot. Nur war es bei dem Theuerbrünnlein gerade umgekehrt. Wenn es stark lief, was öfters selbst bei der trockensten Witterung der Fall war, so stiegen die Preise des Getreides und es kam eine teuere Zeit. Lief es sparsam oder versiegte es ganz auf kürzere oder längere Dauer, so hatte man wohlfeiles Getreide und überhaupt ein fruchtbares Jahr zu erhoffen. Während die Goldquelle nämich aus tonigem Schwemmland entsprang, kam das Theuerbrünnlein aus lehmiger Erde.

Heute sind Theuerbrünnlein und Goldquelle durch die wachsende Stadt trocken gelegt und so kündet uns niemand mehr, ob gute oder schlechte Zeiten kommen.