Irrlichter in der Möhr

Am Unkenbach bei der Unkenmühle in der Nähe der Grettstadter Wiesen führt eine Waldabteilung den Namen "die Möhr". Der Wald heißt so nach dem moorigen Boden und den sumpfigen Wassertümpeln, die sich dort zahlreich finden. Wer sich dorthin einst bei stockfinsterer Nacht verirrt, den narren die Lichter.

In diesem Walde sollen einst im Dreißigjährigen Kriege viele schwedische Reiter versunken und ertrunken sein. Sie wollten den Schwebheimern zu Hilfe kommen, gerieten aber vom rechten Weg ab in "die Möhr" und sind dort mitsamt ihren Pferden im Sumpf und Morast untergegangen. Nur wenige Reiter blieben übrig. Wenn im Spätherbst auf Advent zu trübe Nebel über den Moorwiesen brauen, sieht man in der "Möhr" viele, viele Lichter tanzen. So viele Reiter sollen es gewesen sein wie es Lichtlein sind. Sie brennen vom Abendläuten bis zum Morgenläuten. Niemand soll sich von diesen Irrlichtern verlocken lassen, dass es vom sicheren Weg abgeht. Er fände das gleiche Schicksal wie die im Moor untergegangenen Schweden.

Einmal wanderte ein einsamer Wanderer zu sehr später Stunde heimwärts. Die Nacht hatte ihn überrascht und er wußte nicht Weg und Steg, wußte nicht ein und aus. Sollte er zur Rechten gehn oder zur Linken, vorwärts oder rückwärts? Rings um ihn war es stockfinster und am Firmament leuchteten keine Sterne. Nur hier und da tänzelte eine kleine Flamme über den Erdboden dahin, als wolle sie rufen: "Komm! Ich führe Dich!" Doch der verirrte Wandersmann wusste genau, dass er ihnen nicht folgen dürfe, denn es mochten die Irrlichter sein, die ihn lockten. Doch wohin sollte er sich wenden? Da klangen plötzlich Glocken durch das Dunkel und diese zeigten ihm die richtige Richtung zum Dorf. Er folgte den Klängen der Kirchturmglocke und bald stand er vor der Kirche, von deren Turm herab die Glocke erklang. Aus Dankbarkeit machte der so Geretttete eine Stiftung: jeden Abend im Winter soll die Glocke eine Viertelstunde lang geläutet werden, damit Verirrte den Weg nach Hause finden können. Seither wird von Michaeli bis Josefi das Acht-Uhr-Glöcklein am Abend geläutet und manche andere Gemeinde hat diesen schönen Brauch übernommen. Das Glöcklein soll verirrten Wanderern die rechte Bahn weisen.

Denn noch immer schweben die Flämmchen der Irrlichter in der Mitte gelb und an den Rändern und oben violett gefärbt, über den Sümpfen und locken arglose Menschen vom richtigen Weg in die Irre.