Anna Weichsel

Anna Weichsel ist die erste gewählte Stadträtin in Schweinfurt. Sie war von 1919 bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten im Schweinfurter Stadrat aktiv. Ihre Tätigkeit galt dem Bereich Familie, Jugend, Kinderreiche und Waisen.


Anna Weichsel mit ihrer Familie. Von links: Susanne Weichsel, Sohn und Ehemann Franz Weichsel, Heiner Weichsel, Anna Weichsel und Elsa Weichsel. Zwei weitere Kinder wurden in den Jahren nach dieser Aufnahme geboren.
Anna Weichsel mit ihrer Familie. Von links: Susanne Weichsel, Sohn und Ehemann Franz Weichsel, Heiner Weichsel, Anna Weichsel und Elsa Weichsel. Zwei weitere Kinder wurden in den Jahren nach dieser Aufnahme geboren.

Im Jahre 1919 durften Frauen das erste Mal für ein politisches Amt gewählt werden und auch das erste Mal wählen. Dies war von Frauenbewegungen hart erkämpft worden und es hatten sich sowohl aus der Bürgerschaft als auch aus der Arbeiterbewegung Frauenbewegungen zusammengeschlossen, obwohl bis zum Jahre 1908 das Vereinsrecht "Frauenpersonen, Geisteskranken, Schülern und Lehrlingen" (welch erstaunliche Kombination!) die Zugehörigkeit zu politischen Vereinen untersagte.

1902 gründete auch in Schweinfurt die SPD, die das Frauenwahlrecht seit 1891 auf ihr Programm geschrieben hatte, den "Verband für Frauenstimmrecht". Unterstützt wurde diese Bewegung von Anfang an durch Fritz Soldmann, der offen die Frauen aufforderte, sich am politischen Leben zu beteiligen.

In einem Aufruf zum Frauentag der organisierten Frauenbewegung in Schweinfurt vom 01. März 1914 stand geschrieben: "Die Frau wird heute von der Gesetzgebung bezüglich des Wahlrechtes noch behandelt wie die Unmündigen. Sie haben zwar alle Lasten zu tragen...., aber Rechte auf dem Gebiet des politischen Lebens räumt ihnen keine der politischen Parteien  und auch die Regierungen nicht ein.... Rückhaltvoller, steter Kampf wird dieses Unrecht beseitigen..... Deshalb, Frauen, besucht die Versammlungen und wehrt euch um euer Recht!" 1918 erhielten mit dem Reichstagsgesetz vom 30. November die Frauen durch die Revolutionsregierung das aktive Wahlrecht ab dem 20. und das passive Wahlrecht ab dem 25. Lebensjahr.

Einladung zur Allgemeinen Frauenversammlung des Sozialdemokratischen Vereins Schweinfurt im Schweinfurter Tagblatt am 07. Januar 1919
Einladung zur Allgemeinen Frauenversammlung des Sozialdemokratischen Vereins Schweinfurt im Schweinfurter Tagblatt am 07. Januar 1919

Bei der ersten Stadtratswahl, die aufgrund der Eingemeindung Oberndorfs auf den 21. Dezember 1919 verlegt worden war, kandidierten fünf Frauen. Dies waren Anna weichsel, Dora Starz, Maria Reichert (alle USPD), Therese Stadtmüller und Franziska Weigand (beide MSPD). Es war Anna Weichsel, der als einzige der Einzug in das Stadtparlament gelang.

 

Anna Weichsel wurde am 24. Oktober 1877 in Oberlauringen geboren. Sie war als Schäftemacherin in der Schuhfabrik Silberstein & Neumann am Obertor in Schweinfurt berufstätig. Sie heiratete Franz Weichsel, einen Facharbeiter der sich aktiv am Gwerkschaftsleben und in der Parteipolitik engagierte. Mit ihm hatte sie sechs Kinder.

Anna Weichsel betätigte sich ehrenamtlich in ihrer Partei und in der Schuhmachergewerkschaft, die zu jener Zeit übrigens die älteste Gewerkschaft in Schweinfurt war.

1919 wurde Anna Weichsel als erste Frau in das Stadtparlament gewählt, in dem sie sich dem Bereich "Familie und Jugend, Kinderreiche und Waisen" widmete. Im Jahre 1932 wurde Anna Weichsel das letzte Mal in den Stadtrat gewählt. Das Ergebnis damals:

Oberbürgermeister, Stadtrat und Stadtverwaltung 1932:

Bürgermeister: Dr. Benno Merkle (OB), Konrad Raithel, Josef Saeckler. 

Berufsmaessige Stadtraete: Dr. Ignaz Schoen, Dr. Karl Koeppele, Dr. Kurt Roemer. Dr. Ludwig Pfeiffer, Otto Schermbacher, Dr. Ludwig Schuessler.

Ehrenamtliche Stadträte:  

Bürgerliche Einheitsliste: Wilhelm Bechert, Hermann Barthel, Ernst Herrman, Hans Lingl, Adam Tasch, Otto Drescher, Heinrich Schad, Nikolaus Rumpel.

Bayerische Volkspartei: Edmund Habermann, Bernhard Schineller, Hans Zehender, Vitus Beiergroesslein, Martin Weger, Vinzenz Seufert.

NSDAP: Ludwig Poesl (Angestellter), Ernst Przesdzienk (Schlosser)

SPD: Friedrich Pfister, Fritz Soldman, Roman Muenzbuehl, Georg Groha, Christian Reuschwanger, Johann Wetz, Martin Weber, Johann Bergdolt, Anna Weichsel, Essl Bistor, Heinrich Wener, August Poetsch, Kaspar Merz.

 

Von dieser Zeit an wurde das Arbeiten im politischen Bereich zusehends schwieriger. Die rechtswidrigen Agitationen der Nationalsozialisten endeten in der Machtergreifung 1933, mit der Anna Weichsel mit anderen Sozialdemokraten mehrfach in Haft genommen wurde. Mit den Nazis endete auch zunächst die Frauenbewegung. Bezeichnend die Ausführungen auf dem Parteifrauenkongreß der NSDAP 1943, wo es hieß: "Wenn früher die liberale, intellektualistische Frauenbewegung in ihren Programmen viele Punkte enthielt, die ihren Ausgang vom sogenannten Geist nahmen, dann enthält das Programm unserer nationalsozialistischen Frauenbewegung eigentlich nur einen Punkt: Das Kind."

 

Anna Weichsel verzichtete nach dem Zweiten Weltkrieg auf erneute Kandidaturen. Sie starb nach langer Krankheit am 03. Februar 1952 in Schweinfurt.