Ausgrabungen am Oberen Wall

aus: Mainleite, herausgegeben vom 

Historischer Verein Schweinfurt e.V.

Petersgasse 3 („Schrotturm“), 97421 Schweinfurt

Autor: Frank Feuerhahn

Die archäologischen Untersuchungen am „Oberen Wall“ – ein Beitrag zur Entwicklung der Stadtbefestigung von Schweinfurt

Die Stadt Schweinfurt beabsichtigte, im Bereich der Grünanlage „Am Oberen Wall“ beziehungsweise „Weißer Turm“ eine grundle- gende Sanierung des teilweise desolaten Mauerbestandes vorzunehmen. Von der Planung waren auch Mauerabschnitte betroffen, die als Teil der mittelalterlichen Stadtmauer anzusehen waren. Das Gelände liegt an der Ostflanke der historischen Altstadt von Schweinfurt.

Bereits im Frühjahr 2002 hatte unmittelbar westlich des Straßen- zuges „Am Oberen Wall“ im Bereich der Grundstücke Krumme Gasse 24 – 32 eine archäologische Untersuchung stattgefunden. Es bestand daher die Gelegenheit, neben Aufschlüssen über das Alter der verschiedenen Mauerzüge und des sogenannten „Weißen Turms“ in Fortsetzung der älteren Ausgrabung einen durchgehenden Profilschnitt durch das Gelände bis in den Bereich des ehemaligen Stadtgrabens hinein zu gewinnen. Die Durchführung der archäologischen Untersuchungen lag in Abstimmung mit der Sanierungsstelle der Stadt Schweinfurt und unter fachlicher Aufsicht durch das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege, Archäologische Außenstelle Würzburg, beim Büro für Ausgrabungen und Dokumentationen Heyse aus Würzburg. Die Arbeiten konnten bauvorgreifend im September und Oktober 2002 vorgenommen werden, kurze Beobachtungen waren ferner bei der Verlegung von Versorgungsleitungen im Straßenbereich „Am Oberen Wall“ möglich.

Neben den im Zuge der Baumaßnahmen gemachten Beobachtun- gen wurden zur Klärung des zeitlichen Verhältnisses der einzel- nen Mauerzüge zwei Flächen im Hangbereich zwischen dem Oberen Wall und der Grünanlage am Marienbach, die dem alten Stadtgrabenverlauf entspricht, archäologisch sondiert.

Hier waren neben der mutmaßlichen Stadtmauer, die zugleich die Begrenzung des Oberen Walls zum östlich sich anschließenden abfallenden Gelände bildet, auf halber Höhe des Hanges einzelne, parallel zur Stadtmauer verlaufende Mauerzüge zu erkennen. Des weiteren ist der „Weiße Turm“ zu nennen.

Wie die Untersuchungen aufzeigen konnten, liegt hier ein im Laufe der Zeit „gewachsener“ Bestand vor, indem die Stadtbefestigung immer wieder an die aktuellen Erfordernisse der Wehrtechnik angepasst wurde.

 

Geländeprofil auf Grundlage der archäologischen Schnitte in der Krumme Gasse, dem Oberen Wall und am Weißen Turm (Bild 1)
Geländeprofil auf Grundlage der archäologischen Schnitte in der Krumme Gasse, dem Oberen Wall und am Weißen Turm (Bild 1)

 

Fasst man die Ergebnisse der Archäologie un- ter Berücksichtigung der bildlichen und schriftlichen Quellen zu- sammen, ergibt sich das im Folgenden skizzierte Bild. [Bild 1 und 2] Am Anfang der baulichen Aktivitäten steht die Errichtung der Nord-Süd verlaufenden Stadtmauer. Sie war auf einer Länge von rund 15 m südlich an den Weißen Turm anschließend noch im Aufgehenden erhalten, wenn auch mit etlichen Ausflickungen und inzwischen wieder abgetragenen Anbauten. Die Verwendung unterschiedlichen Steinmaterials, zum Weißen Turm hin Kalk- stein, weiter nach Süden Sandstein, markiert einzelne Bauab- schnitte. Dieser Teilbereich wurde im Zuge der Sanierung wieder hergerichtet. Wie die Ausschachtungen zum Bau einer neuen Betonstützmauer zeigten, waren im weiteren Verlauf nach Süden noch Teile der alten Stadtmauer unterhalb des Straßenniveaus vorhanden,die jedoch nicht erhalten werden konnten.Der Mauerverlauf zieht hier leicht zur Stadt hinein,weshalb die heutige Breite des Straßenzuges „Am Oberen Wall“ über die Mauer hinweggeht.

Rekonstruktionsversuch desGeländeprofilsin Mittelalter und früher Neuzeit (Bild 2)
Rekonstruktionsversuch desGeländeprofilsin Mittelalter und früher Neuzeit (Bild 2)

 

Im südlichen der beiden archäologisch untersuchten Bereiche wurde ein an die Stadtmauer angesetzter Stützpfeiler entdeckt, der obertägig nicht mehr zu erkennen gewesen war. Auf einem Holzschnitt von 1595 eines unbekannten Künstlers, der Schwein- furt von Osten zeigt, sind zwei Stützpfeiler an der Stadtmauer zu erkennen, deren Existenz nun gesichert ist.1 Wegen der topogra- phischen Situation mit dem Geländeabfall zum Marienbach ist die Stadt Schweinfurt in östliche Richtung bis ins 19. Jahrhundert nicht weiter gewachsen. Daher geht dieser Stadtmauerzug noch auf die erste bis 1437 vollendete Befestigungsmaßnahme zurück,2 wenn auch Reparaturen nach den schweren Schäden, die Schwein- furt im Markgräflerkrieg 1554 erlitten hat, anzunehmen sind.3

Im Vorfeld der Stadtmauer fällt das Gelände relativ steil zur heutigen Parkanlage, dem ehemaligen Grabenbereich ab. An einzelnen Stellen waren auf halber Höhe des Hanges noch etwa parallel zur Stadtmauer Nord-Süd verlaufende Mauerzüge zu erkennen. In einem Abschnitt, in dem an der Oberfläche nichts mehr von einer solchen Mauer zu erkennen war, konnte sie im Boden noch archäologisch erfasst werden. Auch in den übrigen, nicht untersuchten Bereichen dürften zumindest Reste entspre- chender Mauerzüge im Boden stecken, die sich insgesamt zu einem einheitlichen Mauerverlauf zusammenfügen. Eine solche, vor die mittelalterliche Stadtmauer vorgesetzte zweite Mauer findet sich auch im Merianschen Vogelschauplan von Schweinfurt 1646/484. Diese Mauer begradigt den an der Ostflanke der Stadt etwas konkaven Verlauf der alten Stadtmauer, so dass hier eine Art Zwinger entsteht. Ähnlich wie bei der oberen Stadtmauer finden sich auch bei der Hangmauer im archäologischen Befund und auch im Aufgehenden angebaute Stützpfeiler. In der Errich- tung dieser vorgeschobenen Mauer darf man einen Versuch sehen, den aus dem Mittelalter überkommenen Bestand an die sich rasch entwickelnde Feuerwaffen- und Geschütztechnik anzupassen, gegen die eine einfache Steinmauer allein keinen ausreichenden Schutz mehr gewährte. [Bild 3]

Bei Merian schließt sich unmittelbar östlich an die zweite Mauer der Stadtgraben an. Dies kann durch die Befunde der archäologi- schen Sondage um ein im Merian-Plan nicht erkennbares Detail ergänzt werden. Demnach stößt der Stadtgraben nicht unmittel- bar an die Mauer, wodurch diese zugleich die Funktion einer Gra- benfuttermauer erhalten hätte. Vielmehr ist der Hangmauer noch eine etwa 1,20 m starke, leicht abfallende Berme vorgelagert.

m Bildhintergrund die Stadtmauer mit dem Stützpfeiler links. Im Mittelgrund die Hangmauer (Bild 3)
m Bildhintergrund die Stadtmauer mit dem Stützpfeiler links. Im Mittelgrund die Hangmauer (Bild 3)

 

Diese wird durch einen einzelnen Quader abgeschlossen. Erst dann fallen die Schichten steil in den ehemaligen Stadtgraben ab. Der Stadtgraben konnte nur in seinen Ansätzen erfasst werden, da eine weitere Untersuchung des Grabens eine Ausdehnung der Untersuchungsfläche bis in die Grünanlage hinein erfordert hätte. Relativ steil ist der Graben hier in den anstehenden Keuperfels eingearbeitet worden. Eine rund 30 cm starke, auf dem natürli- chen Verwitterungshorizont aufliegende Schicht rötlichen Lehms dürfte zur Abdichtung des Grabens aufgetragen worden sein, so dass der Graben wohl dauerhaft Wasser führte. Die Verfüllung des Grabens erfolgte nach dem geborgenen Fundstücken erst im 19. Jahrhundert. [Bild 4]

Bild 4: Schnitt durch den Ansatz des Stadtgrabens am Weißen Turm.
Bild 4: Schnitt durch den Ansatz des Stadtgrabens am Weißen Turm.

 

Der Weiße Turm ist so gebaut, dass er mit seinem Fundament leicht bis in den Graben vorspringt. Die oben beschriebene Hangmauer läuft etwa auf die Mitte der Südwand des Weißen Turmes zu. Von den erhaltenen oder durch Fotografien bekannten Schweinfurter Stadttürmen unterscheidet er sich durch seine rechteckige Gestalt. Jedoch zeigen die historischen Abbildungen, dass einst neben den runden beziehungsweise halbrunden auch weitere rechteckige Türme vorhanden waren. Für den Weißen

Turm sind für die Jahre 1563/64 Ausbesserungsarbeiten aus den schriftlichen Quellen bekannt, die nach Zerstörungen im Mark- gräflerkrieg notwendig geworden waren. Veränderungen des Weißen Turms haben sich unter anderem durch seine Nutzung als Brauereikeller ergeben.

Wie die Beobachtungen der Erdaufschlüsse im Straßenzug „Am Oberen Wall“ zeigen, wurden hier zwischen der alten Stadtmauer und der heute den Oberen Wall zur „Krummen Gasse“ hin begrenzenden Stützmauer mächtige Aufplanierungen vorgenom- men, so dass der Straßenzug zu Recht als „Wall“ bezeichnet wird. Nach den geborgenen Keramikfunden sind diese Maßnah- men ins 15./16. Jahrhundert zu datieren. Auch hierin kann man einen Versuch sehen, die mittelalterliche Stadtmauer durch Anschüttung einer starken Erdpackung gegen einen Beschuss mit Feuerwaffen „aufzurüsten“.

Erst durch den Bau der bastionären Befestigungsanlagen um die Stadt Schweinfurt im 17. Jahrhundert verlor die mittelalterliche Stadtmauer ihre Bedeutung, wenn sie auch als eine zweite Verteidigungslinie eine gewisse Funktion behielt.

Als Ergebnis der Untersuchungen am Oberen Wall bleibt also der folgende Bauablauf festzuhalten: Die älteste Bausubstanz stellt die Stadtmauer im oberen Hangbereich dar. In der frühen Neuzeit wird eine zweite Mauer auf halber Höhe des Hanges hinzugefügt und die Stadtmauer durch eine angeschüttete Erdpackung verstärkt. Spätestens in diesem Zusammenhang dürfte auch der Weiße Turm entstanden sein. Dieser wird nach Verlust seiner fortifikatorischen Bedeutung für die Zwecke einer Brauerei umgestaltet. Der Stadtgraben wird im 19. Jahrhundert verfüllt und hier entsteht eine Grünanlage.

Lösch, Edgar: Die Schweinfurter Altstadt: Geschichte, Zerstörung, Erneuerung. Dokumentation zur Altstadtsanie- rung (Schweinfurt 2001).

Rosenstock, Dirk: Frühgeschichte der Stadt Schweinfurt von 700 bis 1500. Schweinfurter Museumsschriften 49 (Schweinfurt 1992).

Scherbaum, Jochen: Zur Mittelalterarchäologie in Schweinfurt, Beiträge zur Archäologie in Unterfranken 2000. Mainfränkische Studien 67 (Büchenbach 2000), S. 87 – 101.:

Anmerkungen

  1. 1  Abgebildet bei Lösch 2001, S. 15.

  2. 2  Entgegen der Annahme von Rosenstock, der an der Ostseite der Stadt nicht mehr mit mittelalterlichen

    Bauphasen der Stadtmauer rechnete; s. Rosenstock 1992, S. 52

  3. 3  Lösch 2001, S. 374; Scherbaum 2000, S. 94.

  4. 4  Abgebildet bei Lösch 2001, S. 16.

Der unterirdische Gang von der Krummen Gasse zum Weißen Turm Foto: Peter Hofmann
Der unterirdische Gang von der Krummen Gasse zum Weißen Turm Foto: Peter Hofmann