600 Jahre Stadt-Apotheke im Jahre 2012

Betritt der Besucher die Stadt-Apotheke im/am alten Rathaus spürt er sofort die Tradition und die Geschichte, die mit diesen Räumen verbunden sind.

Nicht nur der alte Originalbau, der zusammen mit dem Rathaus in den Jahren 1570 bis 1572 erbaut wurde, auch viele alte Ausstellungsstücke und Darstellungen der alten Stadttore an den Wänden, lassen die langjährige Geschichte erahnen, die diese Räume erfahren haben.

Die Rathaus- oder Stadt-Apotheke heute
Die Rathaus- oder Stadt-Apotheke heute
Die Apotheken-Offizin um 1962 mit Herrn Apotheker Wilhelm Faustmann (links hinten)
Die Apotheken-Offizin um 1962 mit Herrn Apotheker Wilhelm Faustmann (links hinten)
Die Offizin heute mit Frau Apothekerin Elisabeth Faustmann
Die Offizin heute mit Frau Apothekerin Elisabeth Faustmann

Doch werfen wir einen Blick in das Jahr 1412.

In jenem Jahr als in  Frankreich ein Mädchen zur Welt kam und den Namen Jeanne d'Arc erhielt, das als "Jungfrau von Orleans" in die Geschichte eingehen sollte, war Schweinfurt eine kleine Stadt mit ca. 2000 Einwohnern. Der Rat der Stadt, um die Gesundheit seiner Bürger besorgt, traf die Entscheidung, eine Apotheke einzurichten und mit einem Kapital von 5000 Gulden auszustatten, was zu jener Zeit eine bedeutende Summe darstellte und zwar "um das Apothekenwesen zu regeln und in der Hand zu behalten und auf leichte und wohlfeile Weise gute Arzneien zu beschaffen", so die damalige Begründung dieses Entschlusses. Und dies hatte sehr naheliegende Gründe, denn auf den Märkten in und vor der Stadt tummelten sich viele Quacksalber und Scharlatane, die vermeintliche Heilmittel bedenklichen oder unwirksamen Inhalts gutgläubigen Kunden für viel Geld in deren Not andrehten. Dies in geregelte und geordnete Bahnen zu lenken, sah sich der Rat der Stadt verpflichtet. Und so wurde - wohl im Bereich des Vorgänger-Rathauses die erste Stadt- bzw. Rathaus-Apotheke gegründet, zunächst wohl nicht viel mehr als eine Art Heilmittelverteilungsstelle. Doch kurze Zeit später wurden auch hier Arznei-, Kräuter- und Heilkundige eingestellt, die eine für die damalige Zeit fachkundige Beratung und Versorgung zu leisten in der Lage waren. Es darf davon ausgegangen werden, dass der Rat der Stadt hinsichtlich der Arzneimittelversorgung längere Zeit das Versorgungsmonopol für sich in Anspruch nahm.

Wie die Apotheke in früheren Jahrhunderten ausgesehen hat, wissen wir nicht genau. Allzu sehr dürfte sie sich nicht verändert haben.

Überliefert wurden nur wenig über bauliche Veränderungen oder Renovierungen. Berichtet ist, dass 1739 die Apotheke nicht mehr genug Räumlichkeiten hatte und deshalb das private Nachbarhaus vom Rat der Stadt hinzu gekauft wurde. In den Protokollen des Rates ist im Jahre 1742 von Renovierungen zu lesen, ebenso im Jahre 1748. Zuletzt wurde die Apotheke von Herrn Apotheker Wilhelm Faustmann im Jahre 1955 umgebaut.

Meist war die Apotheke mit einem Provisor (alter Begriff für einen Apotheker, der eine fremde Apotheke verwaltet, hier die städtische), zwei Gesellen und einem Lehrling besetzt und diese verfügten über die Offizin mit Laborräumen, Vorratskammern, Kräuterboden und eine Wohnung, bestehend aus drei Zimmern und drei Kammern. Alle das ist auch heute noch vorhanden, wenn auch viele Reparaturarbeiten und Renovierungen das Erscheinungsbild verändert haben dürften.

Erstaunlicherweise kann man anhand von Dokumenten noch alle Namen der dort tätigen Apotheker und sonstigen Beschäftigten seit dem Jahre 1555 nachverfolgen!

Darunter sind auch viele prominente Schweinfurter aus der Zeit, als Schweinfurt noch "freie Reichsstadt" war. Und wer nicht den strengen Richtlinien des Rates der Stadt entsprach, der wurde gefeuert!

Der erste "Apotheker" war 1555 Balthasar Dalner, der allerdings bereits nach drei Jahren die Apotheke verlassen musste. So wurde auch 1648 ein Geselle, bei dem mehrere Ermahnungen nicht gefruchtet hatten "cum infamia" entlassen, 1685 wurde ein Lehrling namens Bader hinausgeworfen, da er sich schlecht führte. Ein Geselle namens Schenk kam im Jahre 1767 mit der Entlassung noch glimpflich davon, denn, so heißt es, er hätte "etliche Tage in das Knechtsstüblein gesperrt und mit Wasser und Brot gespeist werden sollen". Merkwürdig und nicht erklärbar ist die frühere Bestimmung, dass Provisoren, die heirateten, ebenfalls entlassen wurden.....

Einige Apotheker erhielten jedoch hiervon Ausnahmeregelungen (wohl dann, wenn sie nicht leicht zu ersetzen waren) und nicht wenige schafften sogar den Aufstieg in den Rat der Stadt.

Prominenteste Vertreter aus der Zeit der freien Reichsstadt waren z.B. Dr. Leonhard Bausch, der Erbauer des Bauschenturms, sein Sohn Johann Lorenz Bausch, Gründer der Leopoldina-Gesellschaft.

 

 

Die Tabletten"maschine" heute im Labor der Stadt-Apotheke
Die Tabletten"maschine" heute im Labor der Stadt-Apotheke

Übrigens gab es in diesen frühen Jahren des 17. Jahrhunderts und auch noch längere Zeit danach nicht nur Arzneien in der Apotheke zu kaufen.

Es gab auch Waren wie Zucker, Kaffee, Wein, Heringe, Tinte, Rauchkerzen usw.

Es gab jedoch auch (zumindest aus heutiger Sicht) Kuriositäten, wie sie in der Preisliste des Dr. Leonhard Bausch aus dem Jahre 1614 zu lesen sind:

So z.B. "Zubereitete spanische Mucken, gebrannte Schwalben, gebrannter Skorpion, gebrannte Regenwürmer, geschabtes Heuschreckenbein, Geißkot, Hunds-, Wolfs-, Bären-, Schlangen und Geierschmalz, Menschenhirnschal und weiteres an Merkwürdigkeiten wie Erdwürmeröl oder Regenwürmeröl.......


Dr. Friedrich Leonhard Enderlein schreibt in seinem Buch "Die Reichsstadt Schweinfurt während des letzten Jahrzehnts ihrer Reichsunmittelbarkeit mit vergleichenden Blicken auf die Gegenwart" zum Apothekeramt folgendes:

 

"Das Apothekeramt

Der Rat hatte 1412 an die Erwerbung und Einrichtung einer Apotheke 5000 Gulden aufgewendet - eine für jene Zeit ungeheure Summe; dafür war die Eine Apotheke im Rathauslokale selbst ein stadträtliches oder Kommunalmonopol. Ein Ratsapotheker oder Provisor, städtischer Offiziant, (der letzte, Herr Eichholz aus Frankfurt, war 1803 ein alter Herr, ledigen Standes) besorgte als bloßer Faktor des Rats mit zwei Gesellen, einem Lehrjungen und einer Magd das ganze Geschäft. In einem kleinen zur Apotheke gehörigen Garten, südöstlich von der Stadtziegelei, betrieb er den Anbau der unentbehrlichsten Arzneigewächse selbst, außerdem bezog er auf städtische Rechnung teils aus Frankfurt und Nürnberg, teils von Kräuterhändlern der Umgegend seine Materialien; auch den Ankauf von Holz, Kohlen, Gefäßen und sonstigem pharmazeutischen Geräte betrieb er gegen Verrechnung an die Amtsherrn. Er selber und sein Personal erhielten ihre volle Kost in Natura aus dem Spital, dem die Obereinnahme dafür 200 Gulden vergütete, - offenbar selbst für jene Zeiten viel zu wenig, da es sich um Speise für 5 Personen handelte. Außerdem erhielt der Apotheker 110 Gulden, der erste Gesell 78 Gulden, der zweite 66 Gulden, die Magd 17 Gulden. Zwei Ratsglieder (zuletzt Bürgermeister Joh. Casp. Cramer und Senator Dürbig) nahmen allmonatlich Einsicht von den Rechnungen und erteilten ökonomische Weisungen. Die technische Aussicht, die Prüfung der Materialsvorräte, die Bestimmung der Taxe gehörte natürlich in den Wirkungskreis des Physikus. Überdies zog derselbe alljährlich einmal sämtliche Ärzte bei zu einer Spezialuntersuchung der Apotheke und hörte deren Erinnerungen und Vorschläge. Am Schluss des Amtsjahres legten die Herren Amtsträger dem Gesamtrate Rechnung.

Man sollte nun wohl glauben, eine Apotheke, die allein, ohne Konkurrenz (denn Landapotheken gab es noch nicht), für wenigstens 20000 Menschen den Arzneibedarf lieferte, würde der Stadtkämmerei etwas Erkleckliches abgeworfen haben, in einer Zeit, wo der Name Homoöpathie noch nicht bekannt war und die Ärzte große Gaben zu ordinieren pflegten, wenn auch der Physikus nur für wenige Artikel 99% Nutzen statuierte. Jetzt (1860) wenigstens müssen sich in den Abwurf 2 Apotheker, noch in Konkurrenz mit Landapotheken teilen und befinden sich mit ihren Familien nicht schlecht. Die Monopolapotheke warf durchschnittlich nur die fast lächerlich geringe Nettosumme von 1000 Gulden ab. Bundschuh vollends nimmt nur einen Reinertrag von 150 Gulden an. Die Administration beträgt außer den bereits aufgeführten Gehältern noch 120 Gulden für den Stadtphysikus; 80 Gulden für Visitationspräsente, Mahlzeiten und Douceurs (Freundlichkeiten), und nahe 100 Gulden für Regie."

Im Labor der Stadtapotheke
Im Labor der Stadtapotheke

Mit der Zeit erhielt jedoch die Stadt-Apotheke Konkurrenz, denn auch die freien Reichsdörfer Sennfeld und Gochsheim eröffneten eigene Apotheken mit entsprechendem Personal. Doch auch andere Personen trieben mehr und mehr einen unkontrollierten Arzneihandel, so z. B. auch der Henker der Stadt Schweinfurt. Die Rathausapotheke wurde so zusehends defizitär und man spielte von offizieller Seite mit dem Gedanken, diese zu verpachten und das "Monopol" aus den Händen zu geben. Dies kam jedoch letztendlich durch Erlass des Bayerischen Übernahmekommissars, als Schweinfurt Anfang des 19. Jahrhundert nach Bayern eingegliedert wurde. Somit endete ein großes Kapitel der Geschichte der Schweinfurter Stadt-Apotheke. Der letzte Provisor der freien Reichsstadt Schweinfurt, Dr. Voit und der Stadtphysicus (der stets die Aufsicht über die Apotheke hatte) Hofrat Stolle hatten die Aufgabe, den wert der Apotheke zu bestimmen, die schließlich zu einem Kaufpreis von 20.000 Gulden von Johann Andreas Sixt erworben wurde. Damit war die "Stadtapotheke zum Löwen", wie sie im Grundbuch bezeichnet ist, keine städt. Apotheke mehr. Seither wird sie privat geführt.

Viele sehr alte Gefäße zieren noch heute die Räumlichkeiten der Stadt-Apotheke
Viele sehr alte Gefäße zieren noch heute die Räumlichkeiten der Stadt-Apotheke

Aus der Reihe der privaten Eigentümer der Stadt-Apotheke bedürfen zwei Namen einer besonderen Erwähnung. Dies sind Georg Friedrich Degner, der 1817 Leuchtgas aus Steinkohle herzustellen wusste und mit dieser seiner Erfindung die Offizin der Apotheke stets zu beleuchten verstand und Friedrich Ruß, der als Apotheker zusammen mit Wilhelm Sattler das weltberühmte "Schweinfurter Grün" erfand. 

1933 ging die Apotheke an Apotheker Wilhelm Diem aus Krumbach, der jedoch bereits 1943 verstarb. Seine Ehefrau, die Schwiegermutter des Apothekers Wilhelm Faustmann, führte die Apotheke noch bis 1953, als Herr Wilhelm Faustmann die Stadt-Apotheke schließlich zu Eigentum übernahm. Heute wird sie von dessen Schwiegertochter Elisabeth Faustmann geführt und damit eine Familientradition fortgesetzt.  

Schnappschüsse:

Die Apotheke hat zwei Keller, wovon man den einen über eine Bodenluke innerhalb der Apotheke erreicht, den anderen betritt man über einen eigenen Eingang im Rathaushinterhof.

Keller 1

Der Eingang zum inneren Keller
Der Eingang zum inneren Keller

Von diesem Keller führte einst ein Gang in den Keller des Rathauses. Dieser ist heute jedoch zugemauert.

Der Brunnen im Keller
Der Brunnen im Keller

Weitere Fotos dieses Kellers:

Keller 2

Die Eingangstür trägt die Jahreszahl 1914

Weitere Fotos:

Rezeptumschlag um 1900
Rezeptumschlag um 1900

Aufkleber aus vergangenen Zeiten........

 

Broschüre 550 jahre Stadtapotheke aus dem Jahre 1962