Erinnerungen an die ersten US-Soldaten in Schweinfurt

1.

Frau Maria Klein, geb. Gumsheimer, war zum Zeitpunkt des Einmarsches der ersten US-Soldaten in Schweinfurt am 8. April 1945 noch ein Kind.

Da zuvor die Amerikaner bereits in Würzburg einmarschiert waren, hatte unsere Familie schon einiges von einer Bekannten erzählt bekommen, die in Würzburg im Arbeitsamt beschäftigt war. So erzählte diese insbesondere unserer Familie, dass die US-Soldaten sich sehr für Fotoausrüstungen und Armbanduhren interssieren würden. Diese solle man besser verstecken, bevor die Soldaten in Schweinfurt einmarschierten.

Mein Vater hatte eine solche Fotoausrüstung. Fotos entwickelte er stets selbst. Wir suchten deshalb nach einem geeigneten Versteck in der Wohnung, wobei uns ein bekannter Schweinfurter Sattler half, das Foto-Equipment sicher zu verstecken.

Am 8.4.1945, nach dem Einmarsch, wurde sofort ein Sperrstunde verhängt. Keiner sollte seine Wohnung oder sein Haus verlassen. Mein Vater war in dieser ereignisreichen Woche krank und ich hatte mich mit diesem als auch meiner Mutter in den Gartenstadt-Bunker begeben. Nach Ablauf der Sperrzeit verliesen wir den Bunker und wollten - neugierig auf die US-Soldaten, sehen, was diese täten und wie sie wohl aussehen würden....

In der Galgenleite gab es einige Einfamilienhäuser. Eine Familie, die dort wohnte kannten wir recht gut, und wir begaben uns zu dieser. Der "Hausherr" kam uns entgegen und meinte: "Ich kann nicht ins Haus, schaut Ihr Euch doch mal an, was die  Amis da machen". Ja und wir sahen, dass die US-Soldaten vor den Häusern saßen und aus Gläsern eingemachtes Obst verschlangen, das sie in den Kellern gefunden hatten. Mit den Händen leerten sie ein Einmachglas nach dem anderen.

Da auch wir Obst im Keller lagerten, begab sich mein Vater mit mir rasch in die Auenstraße in unsere Wohnung. Meine Mutter blieb bei den Bekannten.

Bekleidet mit einem Trainingsanzug, den ich noch heute (2015) in meinem Schrank habe, stieg er auf ein Fahrrad, setzte mich vor sich , und wir fuhren zu unserer Wohnung.

Ab dem Laden der Bäckerei Mai waren immer wieder US-Soldaten zu sehen, viele waren in den Häusern. Beim "Maarhaus", wo viele Stufen ins Haus führten saßen zwei Soldaten, die einen Gegenstand zu zerlegen versuchten; wir fuhren jedoch weiter.

Mein Großvater sowie zwei Tanten wohnten ebenfalls in der Auenstraße (Nr. 26) und wir begaben und zunächst zu diesen. An der Eingangstüre fragte ein Soldfat meinen Vater nach "ok", worauf hin mein Vater nur mit den Achseln zuckte. Er verstand ihn nicht. Dieser nahm dann den linken Arm meines Vater und schob den Ärmel des Trainingsanzugs zurück und deutete auf die Uhr. Ein anderer streichelt mir den Kopf, lächelte mich an und sagte wie "örl". Später wusste ich, dass dies Mädchen (Girl) hieß.

Mein Vater erinnerte sich, dass die Nachbarin erzählt hatte, dass die neuen Besatzer sehr hinter Armbanduhren her waren und ließ deshalb, als er kurz alleine war, die Uhr in einer Innentasche seines Trainingsanzuges verschwinden.

Anschließend gingen wir in unsere Wohnung in der Auenstraße 24. Im Keller sah es richtig schlimm aus. Da waren mehrere Soldaten, die unser eingemachtes Obst verschlangen. Offensichtlich waren ihnen unsere Sauerkirschen zu säuerlich, denn diese hatten sie nach dem Öffnen mitsamt den Einmachgläsern auf den Boden geworfen und alles war voll von Splittern und Obststücken.

Im Erdgeschoss schauten wir zuerst nach dem Versteck der Fotoausrüstung, die noch unentdeckt war. In der Küche verspeisten gerade zwei weitere Soldaten unsere Vorräte.


Einmarsch der US-Soldaten in Schweinfurt
Einmarsch der US-Soldaten in Schweinfurt

Da die Nachbarn in der gleichen Etage ihre Eingangstüre geöffnet hatten, schauten wir dort ebenfalls nach. Dies führte sogleich zu einem heftigen Wortwechsel mit dort befindlichen US-Soldaten, die dort ein Hitlerfoto entdeckt hatten und sie dachten es sei unsere Wohnung. Zum Glück konnten wir sie überzeugen, dass dies nicht unsere Wohnung war. Zwei der Soldaten fragten sofort wieder nach "ok". Wieder suchten die den Arm meines Vaters ab und als sie am Handgelenk keine Uhr fanden durchsuchten sie seinen Trainingsanzug und fanden die dort versteckte Armbanduhr. Sie forderten meinen Vater auf, die Uhr ihnen zu überlassen. Als mein Vater sich weigerte zückte einer die Pistole und hielt sie meinem Vater an den Kopf. Ich schrie so laut ich konnte. Als der Soldat dann mit der Pistole genau dorthin zielte, wo sich die Uhr befand, lief ich schreiend ins Freie und rief immer wieder um Hilfe. Ich befürchtete, dass man meinen Vater erschießen würde. Dies hörte der Soldat, der mich zuvor gestreichelt hatte und lief herbei. Er nahm dem anderen Soldaten, der meinen Vater bedrohte, die Waffe ab und beruhigte uns.

Dieses Ereignis konnte  ich nie vergessen und es bleibt eine einschneidende Erinnerung meines Lebens.

Der nette Soldat, der meinem Vater vielleicht das Leben gerettet hatte, läutete eines Tages bei uns an der Wohnung um uns zu besuchen. Er sprach nur wenig deutsch, aber mit "Händen und Füßen" gelang doch eine gewisse Kommunikation und mit der Zeit entwickelte sich eine echte Freundschaft.

Als er 1947 Schweinfurt verlassen musste, wusste er von der Fotoausrüstung, von der wir ihm erzählt hatten. Im April dieses Jahres hatte ich meine Erstkommunion. Wir luden auch ihn ein und teilten ihm mit, dass wir kein großes Essen bieten könnten, insbesondere, da Fleisch kaum zu bekommen war.

Er fragte uns nach der Fotoausrüstung. Er bat, sie uns abkaufen zu dürfen oder er könne uns auch Fleisch dafür geben und so kam es zu einem Tausch, der unserem Fest zu einem "festlichen" Truthahn verhalf. Für unsere Gäste und uns war dies deshalb auch ein ganz besonderer Tag.

Im rahmen der Feier erklärte auch unser neuer amerikanischer Freund, der uns bald verlassen musste, warum die Armbanduhren so begehrt waren. Die amerikanischen Soldaten meinten nämlich, alle Uhren der Deutschen seien hochwertige Schweizer Uhren...........

 

 

2. Katharina Back kann ebenfalls den Heißhunger der US-Soldaten auf Eingemachtes bestätigen:
Meine Oma kam aus Uechtelhausen und hatte dort während des Krieges gewohnt. 1936 geboren, war sie also zu jener Zeit noch ein junges Mädchen.

Zur Zeit des Endes des Zweiten Weltkrieges hatte sie drei Geschwister, eine ältere und eine jüngere Schwester sowie einen Bruder. Mein Uropa (ihr Vater) hatte damals in den Krieg ziehen müssen und war noch nicht zurückgekehrt.
Sie hat mir das immer so erzählt.
Eines Tages (der genaue Zeitpinkt ist mir nicht bekannt) hatte sich herumgesprochen dass die Amerikaner kurz vor dem Einmarsch stünden. Da meine Oma noch sehr jung und unbedarft war, hatte sie keine Vorstellung von Amerikanern oder wie die aussehen würden und sie fürchtete sich sehr.

Als der Tag dann kam, an dem die amerikanischen Soldaten nach Uechtelhausen kamen, hatte meine Uroma ihre vier Kinder genommen und war in den Keller gegangen, um sich und die vier Geschwister zu verstecken. Natürlich haben die US-Soldaten auch das Haus, in dem meine Oma gelebt hatte, durchsucht und ebenso den dazu gehörigen Keller. Meine Oma hat nicht schlecht gestaunt als sie feststellen musste, dass Amerikaner ebenso Menschen sind, wie sie selbst,  mit zwei Händen und zwei Füssen (da lacht meine Oma heute noch wenn sie das erzählt). Und dann weiß sie auch noch zu berichten, dass die US-Soldaten alles aufgegessen haben, vor allem das eingemachte Obst wie Birnen, Mirabellen usw...... 

3. Frau Ilse Rankl, geb. Feyh, kann sich an folgende Begebenheiten erinnern:

Zwei Erlebnisse zu Beginn der Besatzungszeit durch die amerikanische Armee im April 1945:
Mein Vater war zu alt für den Militärdienst und konnte das Ende des Krieges zu Hause erleben. Da er bereits viele Jahre der „Freiwilligen Feuerwehr Schweinfurt" angehörte, wurde er bei Kriegsende zu deren Feuerwehrkommandanten ernannt. Damit besaß er einen Ausweis, der ihn berechtigte zu jeder Tages- und Nachtzeit in der Stadt unterwegs sein zu dürfen. Zu Fuß natürlich oder mit dem Fahrrad. Ansonsten galten für die Bewohner der Stadt strikt einzuhakende nächtliche oder auch stundenweise Ausgangssperren.
An einem Tag, als wieder allgemeine Sperrzeit war, wurde mein Vater zu einem Einsatz gerufen. Er ging eilenden Schrittes zu Fuß die Straße entlang. Ich schaute ihm zum Fenster hinaus nach. Die Straße war menschenleer bis ein GI (amerikanischer Soldat) auftauchte, meines Vaters Ausweis kontrollierte und dabei seine Armbanduhr erblickte. Der GI forderte ihn auf, sie ihm zu übergeben. Mein Vater tat wortlos, was ihm befohlen wurde. Da krempelte der Uniformierte seinen einen Ärmel hoch und man konnte viele Uhren erkennen, die er sich um den Arm gebunden hatte. Die von meinem Vater kam auch noch dazu. Dann durfte er, weiterhin unbehelligt, passieren.
Der Krieg war in Schweinfürt mit dem Einmarsch der US- Armee am II. April 1945 zu Ende.
Jetzt begannen die Aufräumungsarbeiten. Die letzten zahlreichen Bomben und Granaten waren kurz vor der Kapitulation der Stadt eingeschlagen. Auch unser Haus hatte auf der einen Außenwand eine riesige Lücke aufzuweisen und viele Dachziegel waren heruntergefallen oder beschädigt.
So stiegen mein einer Bruder und ich in den Dachboden hinauf und begannen kaputte Dachziegel gegen neue auszutauschen, von denen es glücklicherweise noch einen kleinen Vorrat gab. Die Tür zum Treppenhaus stand offen. Damit konnte man ungehindert vom Hauseingang bis zum Dachboden vordringen. Wir waren mit unserer Arbeit sehr beschäftigt und vollführten viel Lärm mit dem Austauschen der Ziegel. Da stand auf einmal ein sehr großer dunkelhäutiger GI
(amerikanischer Soldat) vor uns, das Gewehr im Anschlag. Wir erstarrten. Der Soldat brabbelte etwas vor sich hin; wir verstanden kein Wort. Schließlich kramte mein Bruder sein Schulenglisch zusammen, um zu erklären, was wir da taten. Der schwarze GI hörte aulmerksam zu, senkte sein Gewehr, zeigte lächelnd seine strahlend weißen Zähne, zog aus der Hosentasche 2 Kaugummis, überreichte sie uns und verschwand wieder im Treppenhaus.
Das war meine erste nähere Begegnung mit einem amerikanischen Soldaten und noch dazu einem "schwarzen". Im sogenannten „Dritten Reich" hatte man keine Gelegenheit einem dunkelhäutigen Zeitgenossen zu begegnen.